ARCHIV FÜR AUTOBAHN- UND STRASSENGESCHICHTE

Asphalt, Beton & Stein | Straßen & Strecken

B87 / geplante B87n
Naumburg (Saale) - Stadt und Landschaft im Würgegriff des Verkehrs

Das Bad Kösener und Naumburger Gebiet des Saale-Unstrut-Triaslandes, etwa zwischen Freyburg im Norden, Weißenfels im Osten, Camburg im Süden und Eckartsberga im Westen gelegen, ist als altes Kulturland von vielfältigen Artefakten und Bauwerken geprägt. Reisende finden hier die Arche für die Himmelsscheibe von Nebra und das Sonnenobservatorium von Goseck, Burgen und Schlössern wie Eckartsburg, Rudelsburg, Neuenburg, Schloss Burgscheidungen, historische Stadtanlagen, Kirchen, Dome und ehemaligen Klöster, historische technische Anlagen wie das Bad Kösener Gradierwerk oder das Lauchaer Glockenmuseum. Dieses Gebiet wurde von Alters her auch von wichtigen Verkehrswegen wie Via Regia, auch Hohe Straße genannt, durchzogen. Das eine bedingte das andere, das eine folgte dem anderen. Ohne Verkehrswege ist keine Landerschließung möglich und das erschlossene Land wiederum brauchte Verkehrswege, die den verwendeten Verkehrsmitteln gerecht wurden. Im Saale-Unstrut-Triasland zeigt sich anschaulich die Richtigkeit der These: "Verkehrswege schaffen Verkehr".

So war es nur folgerichtig, dass die B87 im Bereich Naumburg bereits im 19. Jahrhundert als preußische Chaussee einen staubfreien Straßenbelag aus Bitumen erhielt. Bis in die 1960er Jahre informierte eine leider nicht mehr auffindbare Tafel am Ortsausgang bei Naumburg-Almrich über diese damalige Neuerung im Straßen- und Wegebau.

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Bild 1: Bad Kösen (li.) und Naumburg (re.) im Saaletal.
Ausschnitt aus der Panoramakarte "Das Reise und Erholungsgebiet Naumburg-Saale / Bad Kösen / Freyburg-Unstrut im mitteldeutschen Burgenland", ungef. Maßstab 1:30000, Verkehrsverein Naumburg Saale e.V. (Hrsg.), (1938/39), F. Bruckmann KG. – Verlagsanstalt Max Wittkop GmbH, München

Die Stadt Naumburg ist Ausgangs- bzw. Schnittpunkt bedeutender Bundesstraßen. Die B88 nach Jena - Eisenach beginnt in Naumburg1, die B180 von Egeln (bei Magdeburg) nach Frankenberg (bei Chemnitz) und die B87 von Frankfurt (Oder) nach Ilmenau durchqueren den Ort. Die Autobahnanschlussstelle 21a "Naumburg" (bis Anfang der 1990er Jahre "Naumburg/Osterfeld" bietet dem Verkehr die Möglichkeit, Saale- und Unstruttal zügig zu erreichen.

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Bild 2: Naumburg/Saale als Ausgangspunkt und Passageort wichtiger Bundesfernstraßen.
Grafik unter Verwendung eines Ausschnitts aus o. a. Panoramakarte.

Jeglicher Fernverkehr muss gegenwärtig das Gebiet der mittelalterlichen Stadt durchqueren. Das hatten sich die Stadtväter um 1835 so jedoch nicht gedacht, als sie um diese Zeit die mittelalterlichen Stadttore schleiften und den Stadtgraben zu ca. ²/₃ seiner Größe zuschütteten. Lediglich das Marientor sowie der östliche und ein Stück des südlichen Stadtgrabens blieben erhalten. Rings um den Stadtkern wurden eine breite Promenade und eine Ringstraße angelegt, welche den Verkehr des 19. Jahrhunderts auch ohne Schwierigkeit bewältigte.

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Nebenstehende Karte ist in einem Informationskatalog des VEB Entwurf- und Ingenieurbüro des Straßenwesens (EIBSw) von 1976 enthalten. Diese Schrift hat den Charakter einer Imagemappe und beschreibt Aufgaben, Leistungsspektrum und Struktur des Unternehmens. Sehr aufschlussreich ist die letzte Seite mit der Karte "Planung der Fernstraßen in der DDR". Wenngleich nicht alle der darin aufgeführten Projekte auch später realisiert wurden (Gründe dafür führt bspw. A. Doßmann in seinem Buch "Begrenzte Mobilität" an2), so zeigt sie doch, das Naumburger Gebiet betreffend, dass bereits damals die Problematik der Entlastung des Saaletales zwischen Naumburg und Bad Kösen vom Fernverkehr erkannt worden war und eine Lösung herbeigeführt werden sollte.

Bild 3: Der Knotenpunkt Am Salztor hat als Ausgangspunkt der B88, als Durchgangsstraße der B87 und B180 sowie zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs das größte Naumburger Verkehrsaufkommen mit allen seinen Belastungen zu tragen. Die Ampelregelung ermöglicht das Passieren, doch die Wartezeiten auf "Rot" verschlechtern die Luft des Stadtgebietes spür- und messbar.

Obwohl in der DDR der Verkehr nur ein Bruchteil dessen betrug, wie er seit 1990 in den neuen Bundesländern über Straßen und Autobahnen rollt, gab es bereits in den 1970er Jahren Pläne zur Ertüchtigung des Straßen- und Autobahnnetzes.

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Bild 4: Für die damalige Kreisstadt Naumburg war, wie auch für weitere Städte, eine Ortsumgehung vorgesehen.

Erst nach der politischen Wende in der DDR, dem Beitritt zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland und den darauf folgenden großen Investitionsvorhaben, konnten auch im Süden Sachsen-Anhalts viele Verkehrswege den Erfordernissen des Straßenverkehrs angepasst werden. Die Stadt Freyburg erhielt mit der sog. "Ostspange" eine Ortsumgehung, welche die in diesem Bereich gemeinsam verlaufenden Bundesstraßen 176 und 180 um das Stadtgebiet herumführt. Weißenfels wird heute durch den Bau einer großen Saalebrücke und einer Ortsumgehung der B91 vom Nord-Süd-Durchgangsverkehr zwischen den Chemiezentren Merseburg und Zeitz entlastet. Allein das Gebiet zwischen Naumburg und Bad Kösen wartet darauf, dass eine Verkehrslösung nicht nur diskutiert und geplant, sondern auch realisiert wird.

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Bild 5 (links):
Abstieg der B87, von Weißenfels kommend, von der östlichen Hochfläche in das Wethautal südöstlich von Naumburg
Bild 6 (unten):
Abstieg der B180, von der Bundesautobahn A9 kommend, von der südöstlichen Hochfläche in das Wethautal
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Die in das Wethautal führenden Bundesfernstraßen B87 und B180 treffen in der Ortslage Wethau zusammen, verlaufen gemeinsam durch den Ort und das sich anschließende Naumburger Stadtgebiet, wo sie sich an o.a. Knotenpunkt "Salztor" wieder trennen.

Im betrachteten Gebiet gibt es mehrere, völlig unterschiedliche Probleme, welche wenigstens nach einer teilweisen Lösung verlangen. Da sind die landschaftlichen Besonderheiten: Im Osten Naumburgs hat ein kleiner rechter Nebenfluss der Saale, die Wethau, ein breites Tal in die Hochfläche gearbeitet, sodass sowohl die von Weißenfels kommende B87 als auch die von der AS Naumburg der BAB A9 kommende B180 einen Abstieg von bis zu 12 % haben. Das Saaletal ist durch den mäandrierenden Fluss selbst sowie die Eisenbahnstrecke Halle/Leipzig - Weißenfels - Naumburg - Großheringen - Jena/Erfurt für einen weiteren Verkehrsweg ungeeignet. Hinzu kommt, und das nicht als unwichtigstes Ausschlusskriterium, dass die Hänge des Saaletales im betrachteten Bereich Träger des Saale-Unstrut-Weinanbaues sind oder mit ihren geschlossenen Buchen-, Eichen bzw. Mischwäldern den Erholungswert des Tales ausmachen. Als seit dem frühen Mittelalter bestehendes Siedlungs- und Kulturland ist das Gebiet reich an kulturhistorisch wertvollem und erhaltenswertem Bestand von Baudenkmälern, die besondere Sorgfalt bei der Errichtung von Verkehrsbauten erfordern. So erscheint es geboten, dass im Gebiet zwischen dem Osten Naumburgs und der Rudelsburg/Burg Saaleck südöstlich von Bad Kösen die Querung des Saaletals sorgfältig zu planen ist. Die Höhendifferenz der Hochflächen zum Saaletal mit ca. 100 m wäre über einen langen und steilen Abstieg oder den Bau einer Brücke zu bewältigen.

Der gegenwärtige Planfeststellungsbeschluss für eine B87n sieht nun die Querung des Saaletals mithilfe einer langen Brücke vor. Diese soll südöstlich der beiden genannten berühmten Saaleburgen die auf der westlichen Hochfläche verlaufende B87 über das Tal zur südlichen Hochfläche führen, im Bogen sich der Stadt Naumburg von Süden nähern und an die B88 am Rande des Naumburger Stadtwaldes "Buchholz" anschließen. Für den weiteren Verlauf bis zur B87 bei Wethau gibt es bereits die notwendige Variantenuntersuchung, jedoch stehen konkretere Schritte noch aus.

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Bild 7: Blick von der Rudelsburg aus in südwestliche Richtung auf das Saaletal. Die vorgesehene Ortsumgehung soll, rechts von der westlichen Hochfäche kommend, die Orte Stendorf/Saaleck (im Vordergrund) südlich über das angedeutete Brückenbauwerk umgehen und damit das Tal queren, ohne dabei die landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten dieses Abschnitts im Saale-Unstrut-Triasland zu beeinträchtigen.

Bei allen Planungen wurde, die Meinungen über die Ursachen gehen teilweise weit auseinander, das "Nadelöhr", nämlich der Weg quer durch die Ortschaft Wethau mit seinen steilen Ab- und Auffahrten durch das Wethautal, unberücksichtigt gelassen. Die gegenwärtig in Bearbeitung befindlichen Varianten lassen den hohen Belastungsgrad der Wethauer Bürger völlig außer Acht. Dass dieser Zustand von den Einwohnern nicht so ohne weiteres hingenommen wird ist folgerichtig und wird eine sinnvolle, den Anforderungen gerechte Lösung sehr wahrscheinlich um weitere Jahre hinauszögern.


1 Vor 1945 hatte die heutige B88, damals Reichsstraße 88, ihren Ausgangspunkt in Halle/Saale und führte über Freyburg/Unstrut nach Naumburg und weiter das Saaletal aufwärts.

2 Doßmann, A.: Begrenzte Mobilität - Eine Kulturgeschichte der Autobahnen in der DDR, Klartext Verlag Essen, 2003

Schrifttum, Informationen, Karten:

Nadel Rettet das Saaletal e. V. Verein zur Verhinderung des geplanten Baues der B87n

Nadel 'Ortsumgehung' Eine Webseite von Uwe Wenzel (Naumburg-Almrich) mit chronologisch geordneten Zeitungsmeldungen zur geplanten Ortsumgehung B87n

  •    D017087: "Informationskatalog des VEB Entwurfs- und Ingenieurbüro des Straßenwesens"

Fotos: H. Schneider (3-7)
H. Schneider, Naumburg/Saale, 10/2011